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Scham und Schuld sind Gefühle, die tief in zwischenmenschlichen Beziehungen verwurzelt sind. Sie entstehen oft in unseren engsten Verbindungen – in der Partnerschaft und Familie. Diese Emotionen können belastend sein und Dynamiken beeinflussen, doch sie bieten auch die Möglichkeit, Beziehungen zu vertiefen und sich selbst besser zu verstehen.
In der Partnerschaft können Gefühle von Scham auftreten, wenn Erwartungen unerfüllt bleiben. Manchmal empfinden Menschen Scham, weil sie das Gefühl haben, nicht genug zu sein oder nicht zu genügen. Solche Gedanken und Gefühle können zu Distanz führen und die Kommunikation beeinträchtigen. Schuldgefühle entstehen oft, wenn Menschen den Eindruck haben, dass sie die andere Person enttäuscht oder verletzt haben, sei es durch Worte oder Taten. Es ist wichtig zu verstehen, dass Schuld und Scham häufig durch unbewusste Muster ausgelöst werden, die in früheren Erfahrungen verwurzelt sind.
In Familienbeziehungen haben Scham und Schuld ebenfalls ihren Platz. Schon in der Kindheit prägen familiäre Regeln und Werte unser Empfinden von „richtig“ und „falsch“. Oft geht es darum, Erwartungen zu erfüllen oder sich einem bestimmten Bild anzupassen. Wenn dies nicht gelingt, entstehen Gefühle von Scham, weil das Selbstbild nicht dem entspricht, was von außen erwartet wird. Schuldgefühle hingegen entstehen häufig dann, wenn Konflikte oder Verletzungen innerhalb der Familie auftreten.
Anna fühlt sich oft schuldig, weil sie denkt, dass sie ihren Partner nicht genug unterstützt. Ihr Partner arbeitet in einem stressigen Job, während sie eine Teilzeitstelle hat. Obwohl sie ihre Aufgaben zu Hause erledigt und sich um viele organisatorische Dinge kümmert, schleicht sich das Gefühl ein, „nicht genug“ zu tun. Das führt dazu, dass sie sich schämt, wenn sie einfach mal eine Pause für sich nimmt. Anna fragt sich oft, ob sie ihrem Partner gerecht wird oder ob sie mehr tun sollte, um die Beziehung zu stärken. Diese Gedanken lösen ein Gefühl von Scham aus, weil sie sich selbst als nicht ausreichend wahrnimmt.
Paul und Marie geraten immer wieder in Streit, wenn es um die Erziehung ihrer Kinder geht. Nach einem besonders hitzigen Wortwechsel fühlt sich Paul schuldig, weil er laut geworden ist und Dinge gesagt hat, die er nicht so meinte. Er merkt, dass Marie dadurch verletzt wurde und es auch auf die Kinder abgefärbt hat. Die Schuldgefühle belasten ihn stark, da er sich Vorwürfe macht und sich fragt, wie er den Streit hätte vermeiden können. Gleichzeitig fällt es ihm schwer, das Gespräch wieder aufzunehmen und sich zu entschuldigen, weil das Gefühl von Scham im Raum steht.
Sarah stammt aus einer Familie, in der Leistung und Erfolg immer einen hohen Stellenwert hatten. Ihre Eltern haben stets großen Wert auf Ausbildung, Karriere und gesellschaftliches Ansehen gelegt. Als Sarah beschließt, ihren sicheren Job aufzugeben, um einen kreativen Beruf auszuüben, stößt sie auf Unverständnis und Kritik innerhalb der Familie. Ihre Eltern sind enttäuscht, und Sarah schämt sich, weil sie das Gefühl hat, ihre Familie zu enttäuschen. Gleichzeitig empfindet sie Schuld, weil sie ihrem eigenen Weg folgen möchte, der aber nicht den Erwartungen ihrer Eltern entspricht.
Lukas ist der ältere Bruder und hat das Gefühl, dass er seinen jüngeren Bruder oft im Stich gelassen hat, als dieser in der Schule gemobbt wurde. Heute sind sie beide erwachsen, aber Lukas empfindet immer noch Schuld, weil er damals nicht eingeschritten ist oder versucht hat, zu helfen. Diese Schuldgefühle führen dazu, dass Lukas in der Gegenwart überfürsorglich wird, da er sich bewusst oder unbewusst bei seinem Bruder „revanchieren“ möchte. Der Druck, die Vergangenheit „wieder gutzumachen“, belastet die Beziehung der beiden.
Karin hat ihren Partner in einem schwierigen Moment kritisiert, als er ohnehin schon mit Stress auf der Arbeit zu kämpfen hatte. Kurz danach schämt sie sich für ihre Worte, weil sie weiß, dass sie ihn damit getroffen hat. Obwohl sie sich entschuldigt hat, begleitet sie das Gefühl von Scham und Unsicherheit. Sie fragt sich, ob sie ihm damit dauerhaft Schaden zugefügt hat, und fühlt sich schuldig, weil sie ihm in einem Moment der Schwäche keine Unterstützung geboten hat.
Der offene Umgang mit diesen Gefühlen kann dabei helfen, Klarheit in Beziehungen zu schaffen. Scham und Schuld sind oft schwer zu benennen, und viele Menschen empfinden es als unangenehm, darüber zu sprechen. Doch genau darin liegt eine große Chance: Wenn Gefühle von Scham und Schuld angesprochen und reflektiert werden, können neue Perspektiven entstehen, die es ermöglichen, ein tieferes Verständnis füreinander zu entwickeln. Beziehungen können dadurch wachsen, und Konflikte, die durch diese Gefühle entstehen, werden besser verstanden.
Ein erster Schritt im Umgang mit Scham und Schuld ist die bewusste Selbstwahrnehmung. Eine regelmäßige Achtsamkeitspraxis – sei es durch Meditation, Tagebuchschreiben oder bewusste Selbstbeobachtung – ermöglicht es, diese Emotionen zu erkennen, ohne sich von ihnen überwältigen zu lassen.
Über Scham und Schuld zu sprechen, kann sehr befreiend sein, auch wenn es zunächst herausfordernd erscheint. Ein Gespräch in einer geschützten Umgebung, in der man sich sicher fühlt und auf Verständnis hoffen kann, schafft Raum für Empathie und den Austausch über verletzliche Momente.
Scham und Schuld sind Emotionen, die auf Bedürfnisse oder Werte hinweisen. Zu erkennen, dass sie Signale sind, kann dabei helfen, konstruktiv mit ihnen umzugehen und die eigene Perspektive zu klären.
Vergebung ist ein entscheidender Schritt im Umgang mit Scham und Schuld – sowohl sich selbst als auch anderen gegenüber. Selbstmitgefühl ermöglicht es, Fehler als menschlich zu betrachten und loszulassen, was belastet.
Empathie, also die Fähigkeit, die Sichtweise anderer nachzuvollziehen, hilft dabei, Scham- und Schuldgefühle in einem neuen Licht zu sehen. So entstehen neue Möglichkeiten, um mit belastenden Situationen konstruktiv umzugehen.
Sich nicht übermäßig verantwortlich zu fühlen und gesunde Grenzen zu erkennen, ist entscheidend für den Umgang mit Scham und Schuld. Selbstfürsorge bedeutet, für die eigenen Bedürfnisse zu sorgen und Pausen für Erholung zu schaffen.
Wenn Scham und Schuld tief verwurzelt sind, kann eine therapeutische Begleitung dabei helfen, diese Gefühle zu bearbeiten und neue Strategien zu entwickeln, um damit umzugehen.
Scham und Schuld in Partnerschaft und Familie sind natürliche Gefühle, die Teil menschlicher Beziehungen sind. Durch Achtsamkeit, Kommunikation und Verständnis kann es gelingen, diese Emotionen nicht als Belastung zu erleben, sondern als Möglichkeit, die Verbindung zueinander zu vertiefen und gemeinsam neue Wege zu finden. Mit Geduld, Offenheit und gegebenenfalls professioneller Unterstützung können Beziehungen gestärkt und das Selbstgefühl ausgeglichen werden.
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